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Abtreibung

Die Interkulturalität der Pro-Life-Ethik

Die Interkulturalität der Pro-Life-Ethik zeigt, wie verschiedene Kulturen und Glaubenssysteme in der Frage der Heiligkeit des menschlichen Lebens – insbesondere in Bezug auf Abtreibung, Euthanasie und Bioethik – übereinstimmen. Im Kern betont die Pro-Life-Ethik den Schutz und die Bewahrung des Lebens und argumentiert häufig, dass das Leben mit der Empfängnis beginnt und von diesem Zeitpunkt an Schutz verdient. Obwohl diese Perspektive oft mit bestimmten religiösen Traditionen wie Christentum, Judentum und Islam verbunden wird, findet sie sich ebenso in säkularen und indigenen Weltanschauungen, die die Verbundenheit allen Lebens und den inhärenten Wert jedes Menschen betonen.

Ein Beispiel dafür ist Animismus, der in verschiedenen indigenen und traditionellen Glaubenssystemen verbreitet ist. In animistischen Weltbildern sind Pro-Life-Prinzipien eng mit der Vorstellung verbunden, dass alle Lebewesen – Menschen, Tiere, Pflanzen und sogar unbelebte Objekte – eine spirituelle Essenz besitzen. Das Leben wird als miteinander verflochten betrachtet, und die Beendigung eines Lebens, einschließlich durch Abtreibung, wird oft als Störung des natürlichen Gleichgewichts und der Harmonie der Welt gesehen.

Unterschiedliche Kulturen bringen eigene Perspektiven in die Pro-Life-Ethik ein, die von ihren jeweiligen Traditionen, Gesetzen und sozialen Strukturen geprägt sind. Beispielsweise in asiatischen Gesellschaften beeinflussen buddhistische und konfuzianische Prinzipien die Diskussion über das Leben, wobei Konzepte wie Karma und moralische Verantwortung für zukünftige Generationen eine wesentliche Rolle spielen. In afrikanischen Kulturen steht die Betonung des gemeinschaftlichen Lebens und die Bedeutung der Ahnen im Mittelpunkt, wodurch sich Pro-Life-Positionen oft in einem breiteren sozialen und spirituellen Kontext entfalten. In indigenen Kulturen Amerikas und Ozeaniens wird das Leben ganzheitlich betrachtet und als untrennbar mit der Natur verbunden gesehen, was die Pro-Life-Argumentation über den Menschen hinaus auf die Achtung vor allem Lebendigen ausweitet.
Lass uns nun die Pro-Life-Positionen der verschiedenen Religionen genauer betrachten.

1. Östliche Religionen und Philosophien *

Im Buddhismus sind Pro-Life-Prinzipien in der Lehre des Ahimsa (Gewaltlosigkeit) verwurzelt, was bedeutet, dass Abtreibung im Allgemeinen abgelehnt wird, da sie das Leben beendet. Im Sikhismus gilt das Leben von der Empfängnis an als heilig, und Abtreibung wird in der Regel abgelehnt, da sie mit dem Glauben an die göttliche Natur des Lebens und die Bedeutung des Mitgefühls kollidiert. Auch der Hinduismus betrachtet das Leben als heilig und lehnt Abtreibung aufgrund des Glaubens an Karma und die Heiligkeit der Seele ab.
Der Taoismus betont die Heiligkeit allen Lebens als integralen Bestandteil des Tao – des natürlichen Weges. Anhänger glauben, dass jedes Wesen seinen eigenen Pfad und Zweck hat und dass die Bewahrung des Lebens zur Harmonie im Universum beiträgt. Diese Perspektive fördert tiefen Respekt für die natürlichen Prozesse von Leben und Tod und ermutigt dazu, Mitgefühl und Unterstützung für ungeborene Kinder sowie ihre Mütter zu zeigen, um Entscheidungen zu treffen, die Gleichgewicht und Wohlbefinden fördern.

Im Konfuzianismus leitet sich die Pro-Life-Ethik aus dem tiefen Respekt für das Leben, die Familie und die gesellschaftliche Harmonie ab, auch wenn die Philosophie Abtreibung nicht explizit behandelt. Kindliche Pietät (Filial Piety), die Kontinuität der Familie und die moralischen Verpflichtungen gegenüber Ahnen und zukünftigen Generationen spielen eine zentrale Rolle. Abtreibung wird daher oft abgelehnt, da sie den natürlichen Fluss von Leben und Abstammung unterbricht, was den konfuzianischen Werten widerspricht.

2. Indigene Philosophien Amerikas und Ozeaniens **

Die indigenen Kulturen Amerikas und Ozeaniens teilen trotz ihrer Vielfalt gemeinsame Werte in Bezug auf das Leben, die Gemeinschaft und die Natur. Viele dieser Kulturen vertreten traditionelle Pro-Life-Ansichten, die jedoch oft komplexer und ganzheitlicher sind als die modernen politischen Definitionen des Begriffs. In beiden Regionen wird die kollektive Verantwortung betont, das Leben – insbesondere von Kindern und Schutzbedürftigen – zu fördern und zu schützen, während gleichzeitig die Rolle der Frauen als Lebensspenderinnen gewürdigt wird. Die Spiritualität spielt eine zentrale Rolle: Leben wird als Teil eines größeren ökologischen und spirituellen Kontinuums betrachtet. Während viele indigene Gruppen pro-life-orientierte Weltanschauungen vertreten, sind diese oft nuanciert, da sie die Heiligkeit des Lebens mit praktischen Überlegungen zu ökologischer Nachhaltigkeit, Gemeinwohl und spiritueller Führung in Einklang bringen.

Die indigenen Kulturen Nordamerika vertreten eine lebensbejahende Weltanschauung, die die Verflochtenheit zwischen Mensch, Natur und Kosmos betont. Ein Beispiel dafür ist das Konzept „All My Relations“ (Alle meine Verwandten) der First Nations, das darauf hinweist, dass alle Lebewesen miteinander verbunden sind und daher Respekt und Schutz verdienen. Dies schließt den Glauben an die Heiligkeit des Lebens, die Verantwortung für das Land und die Verpflichtung gegenüber künftigen Generationen mit ein.

Auch in Ozeanien, etwa bei den Māori, steht die Sorge für die Umwelt und das Leben in enger Verbindung mit ihren spirituellen und kulturellen Pflichten. Dies führt oft zu einer schützenden Haltung gegenüber dem Leben – sowohl des Menschen als auch der gesamten Natur.

3. Afrikanische (vorchristliche) Religionen und Philosophien ***

Auch in vielen afrikanischen Stammeskulturen sind Pro-Life-Prinzipien tief in einem gemeinschaftlichen und spirituellen Verständnis von Leben verwurzelt. Der Einzelne wird als Teil eines erweiterten Netzwerks betrachtet, das Ahnen, die lebende Gemeinschaft und zukünftige Generationen umfasst. Leben wird von der Empfängnis an als heilig betrachtet, da es zur Kontinuität des Stammes beiträgt und die Ahnentradition ehrt. Abtreibung wird häufig als Störung dieses Kreislaufs angesehen und kann verboten oder stark abgelehnt werden. Die gegenseitige Verbundenheit des Lebens, das Wohl der Gemeinschaft und spirituelle Überzeugungen prägen die Pro-Life-Haltung dieser Kulturen. Dies unterstreicht die kollektive Verantwortung, Leben zu schützen und zu fördern, anstatt es zu beenden.

4. Westliche Religionen ****

Die pro-life-Position im Judentum basiert auf dem Glauben, dass das Leben ein heiliges Geschenk Gottes ist und dass der Mensch im Ebenbild Gottes geschaffen wurde (Genesis 1:27). Während das jüdische Recht (Halakha) die Heiligkeit des Lebens anerkennt, verfolgt es jedoch einen nuancierten Ansatz in Bezug auf den Beginn des Menschseins. Laut dem Talmud wird der Fötus erst bei der Geburt als vollwertige Person betrachtet – genauer gesagt, wenn der Kopf oder der Großteil des Körpers geboren wurde (Mischna Ohalot 7:6). Dennoch wird das Potenzial für Leben hochgeschätzt, und jüdische Ethik betont die Pflicht, Leben zu schützen. Daher ist Abtreibung im Judentum in den meisten Fällen untersagt, kann jedoch unter bestimmten Umständen erlaubt sein, insbesondere wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist.

Das Christentum, insbesondere die katholische Tradition, vertritt eine starke pro-life-Position, die sich aus dem Glauben ableitet, dass jeder Mensch im Ebenbild Gottes geschaffen ist (Genesis 1:27). Dieses Prinzip betont die Heiligkeit und die angeborene Würde jedes menschlichen Lebens – von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod. Die Enzyklika Humanae Vitae von Papst Paul VI. bekräftigt diese Überzeugung mit den Worten: „Das menschliche Leben ist heilig: Von seinem Ursprung an offenbart es die schaffende Hand Gottes.“ (Humanae Vitae, 13) Auch der Katechismus der Katholischen Kirche unterstreicht dieses Prinzip:
„Das menschliche Leben muss von der Empfängnis an unbedingt geachtet und geschützt werden.“ (KKK 2270) Dieses Fundament bildet den Kern der christlichen Pro-Life-Ethik und dient als Grundlage für den Einsatz gegen Abtreibung, Euthanasie und andere Praktiken, die das menschliche Leben gefährden.

Die pro-life-Position im Islam basiert auf dem Glauben, dass das Leben ein heiliges Vertrauen Gottes ist. Der Koran verurteilt klar die Tötung aus Angst vor Armut oder Schwierigkeiten und erklärt:
„Tötet eure Kinder nicht aus Angst vor Armut. Wir versorgen sie und euch.“ (Koran 17:31)
Abtreibung ist im Islam grundsätzlich verboten, besonders nach 120 Tagen der Schwangerschaft, wenn angenommen wird, dass die Seele in den Fötus eingehaucht wird. Ab diesem Zeitpunkt wird Abtreibung als Tötung eines unschuldigen Lebens betrachtet, was als schwere Sünde gilt. Dennoch gibt es in einigen islamischen Rechtsschulen Ausnahmen, beispielsweise wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist.

Der interkulturelle Austausch über Pro-Life-Ethik ermöglicht das Teilen von Werten und ein tieferes Verständnis für die moralische Bedeutung des Lebens in verschiedenen kulturellen und religiösen Kontexten. Während es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wann genau das Leben beginnt oder wie man die Rechte des Individuums mit denen der Gemeinschaft abwägt, fördern diese Diskussionen eine nuancierte und empathische Auseinandersetzung mit komplexen ethischen Fragen. Durch die interkulturelle Perspektive kann die Pro-Life-Ethik weiterentwickelt werden, um inklusiver zu sein und nicht nur religiöse und philosophische Aspekte, sondern auch sozioökonomische, ökologische und medizinische Faktoren zu berücksichtigen, die die Würde des Menschen und das Leben in verschiedenen Gesellschaften beeinflussen.

Für weiterführende Informationen empfenlen wir folgende Quellen:

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Für eine tiefere Auseinandersetzung mit der buddhistischen Ethik in Bezug auf Abtreibung siehe diese akademische Diskussion oder besuche diese Wikipedia-Seite.
Hinduistische Perspektiven zur Abtreibung: Diese Quelle untersucht verschiedene hinduistische Texte und Lehren zur Heiligkeit des Lebens und erläutert, wie die hinduistische Philosophie Abtreibung generell ablehnt und den Respekt vor dem Leben betont. Mehr dazu kannst du hier lesen.
Das menschliche Leben im Konfuzianismus: Dieser Artikel behandelt die moralischen Dimensionen des Lebens aus konfuzianischer Sicht. Er zeigt auf, wie konfuzianische Lehren die Heiligkeit des Lebens und familiäre Verantwortlichkeiten fördern.


Konfuzianische Ethik und Leben: Diese Ressource befasst sich mit der konfuzianischen Ethik und ihrer Beziehung zu Fragen von Leben und Tod. Sie betont die Bedeutung von Beziehungen und gesellschaftlicher Harmonie bei der Wertschätzung des Lebens. Weitere Details findest du hier.

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https://firstnationspedagogy.ca/interconnect.html
https://www.resilience.org/stories/2022-11-21/an-indigenous-perspective-on-reconnecting-with-the-land/
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-94-017-0149-5_17

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African Culture and Legalized Abortion: Is life still sacred? – Dieser Artikel behandelt die kulturelle Bedeutung des Lebens in afrikanischen Kontexten und die Auswirkungen von ABtreibungsgesetzen.
Personhood and Abortion in African Philosophy – Diese wissenschaftliche Abhandlung untersucht philosophische Perspektiven des „Personseins“ und die ethischen Implikationen im Zusammenhang mit Abtreibung in afrikanischen Traditionen.
No Place for Abortion in African (pre-christian) Traditional Life – Eine Untersuchung traditioneller afrikanischer Überzeugungen zur Fortpflanzung und der sozialen Auswirkungen von Abtreibung.

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https://www.chabad.org/library/article_cdo/aid/529077/jewish/Judaism-and-Abortion.htm
https://www.amazon.de/Pro-Life-Jewish-Matriarchs-Reject-Abortion/dp/1517057116

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